Samstag, 27. August 2022

Was geht mich an?/an

Diese Oberflächlichkeit, Westdummheit habe ich bei Biermann gelesen, zumindest denke ich das und lege ihm hoffentlich keine falschen Worte in den Mund.

Dabei geht es nicht um den Westen, oder Wessis, es geht um diese belanglose Oberflächlichkeit. Nicht alle haben das, natürlich, aber es dominiert, auch in mir. Man bezahlt die Familie und ein Einfamilienhaus und arbeitet bei Airbus und bedauert der Krieg in Syrien und hat darüber sogar ein Buch gelesen, wer da alles beteiligt ist und das ist furchtbar. Und dann gießt man die Blumen und gleich gibt es Abendbrot, denn die Kinder müssen früh ins Bett, morgen ist Schule und ich muss auf Schicht.

Mittwoch, 29. Juli 2020

Die Drei Furien


Für J. Für C.



1

Eine Straßenbahn kroch ächzend stöhnend ihren Weg. Sie trug die Nummer elf: homogen, festgegossen, so gut wie unteilbar. Die Bahn drückte sich aus dem Nebel. Die kommende Haltestelle sah man nicht, auch die vorherige nicht. In der Bahn ein Ehepaar, tausend Jahre alt.



2

„Nicht in der Bedeutung des Mythos, im Mythos der Bedeutung liegt unser Menschenproblem.“ Es war spät geworden. Die scheinbar defekte Uhr der Mikrowelle zeigte 36.17 Uhr. Der eben geäußerte Schluss, den die Philosophin aus dem monologischen Gespräch vorher zog, war eine schwere Geburt gewesen. Ermattet und schweigend saß sie nun, einen großen grünen Wackelpudding anstarrend, und drückte einen Daumen in seinen Bauch. 


Sie dachte noch. Ihr Satz hatte sie tief bewegt, ihre Augen strichen streichelten schielten den Wackelberg auf und ab. Was war noch zu erklären, wenn man dem Satz seine Bedeutung ließ? Wenn man überhaupt konnte. Welchen Weltsinn konnte das geben?


Sie zog sich in ihre Pantoffeln zurück, kippte mit dem Stuhl, blickte auf ihren Zuhörer über den Wackelberg hinweg. Er lag mit dem Gesicht platt auf dem Tisch, regte sich nicht. Seine Arme hingen herunter. Die Philosophin nahm ihren Pudding und zog nachdenklich in ihr Zimmer. In großem Gerümpel, wie nicht von ihr verursacht, wie nicht von ihr wahrgenommen, fiel sie in tiefen Schlaf.



3

Rechts im Bild brannte eine Strohhütte. Von drinnen schrie ein Kind. Eine Mutter verkohlte an der Fassade. Hinter der Hütte zogen Soldaten in den Himmel, ihn einzunehmen. Links photographierten Photographen. So konnte die Welt teilnehmen.

Die Welt fragte sich: warum ausrotten? Millionen waren tot durch Kugeln. Ihre Leiber lagen umher. Man hatte ein Ziel: Sauberkeit. Ein dreckiges Land sollte gesäubert werden. Hinten ragte ein Wackelpudding. Neben dem schien alles nichts. Er ragte und wackelte beruhigend. 


Die Philosophin erwachte und stand fast zeitgleich auf. Sie wunderte sich des Traums, stupste ihren Wackelberg. Dann räumte sie das Gesindel aus der Küche.



4

Wenn die Philosophin sprach, sprach sie ruhig. Wenn sie tanzte, tanzte sie ausgelassen. Wenn sie feierte, uferlos. Und wenn die Philosophin nachdachte, dachte sie lange nach. Ausgenommen letzteres schart Menschen um einen. Ihre Eigenart den grünen Wackelpudding beständig bei sich zu haben oder von seinem Glück zu verteilen, machte sie wundersam beliebt. Es waren Viele, die ihr und ihrem Glücksberg nahe sein wollten. Anteil, teilnehmen wollten. Manchmal redete einer und gewann Glück durch die Rede. Am Bauch ihres fröhlichen Glücksbergs spiegelte sich ihr Gesicht und war wie aus Tausendundeinernacht.



5

In einer sterndunklen Nacht träumte der Philosophin ein schleusenloser Regen. Es ist Eigenart der Menschen, bei viel Regen Archen zu bauen. Und auf die Archen zwei von jeder Art zu bringen. Und als die Reihe an die Philosophin kam, einen ihrer Art auszuwählen, da zeigte sie hilflos den Glücksberg vor. Der wackelte und stimmte alle fröhlich. Aber er war nicht von ihrer Art, sagte man, anders sei er, nicht zu ihr passend. Die Paarung weitete die Augen der Beurteiler: die Philosophin sei von gar keiner Art: beide seien plötzlich von keiner Art. Trotz ihrer glücksbergbedingten Fröhlichkeit verweigerten sie die Mitreise.


Noch ein Wackelpudding-Traum, dachte sie. Die Bedeutung der Art, dachte sie. Was mag es bedeuten, von einer Art zu sein? Entschied man sich schon daraus, andere nicht mehr leben zu lassen? Warum lebte sie? Warum infiltrierte sie die Art des Glücksbergs nicht, sondern ließ sie an seiner Seite sein? Eine Besonderheit in der Welt, weil sie beide von keiner Art waren? War das sonst, bei anderen, anders? Beim Überwerfen des Mantels dachte sie: ich will einmal eine Bedeutung haben.



6

Mikrowellenzeit 13.86 Uhr. Es war mitten in der Nacht. Man könnte meinen, die Mikrowellenuhr hätte mit der Zeit gar nichts zu tun. Zähle einfach vor sich hin. Zeige irgend etwas an, sich selber zur Freude.


Aufrechten Rückens saßen drei uralte Frauen um die Philosophin, die in Strümpfen auf ihrem Stuhl schaukelte, einen Daumen in den Bauch drückend verschüchtert den Glücksberg auf dem Schoß haltend.

Die drei Furien: die Dreifaltigkeit von Hass Wut Ignoranz. In ihren Absichten sich uneins, der einen ist es egal: so lenken sie als Gegenpole die Welt. Da die Philosophin eine richtige Philosophin war, kannte sie die drei Furien persönlich. Von Zeit zu Zeit erschienen sie, die Weichen der Welt zu stellen. Ihr Charakter machte es allerdings nötig, dass immer nur eine redete.


So setzte die Wut an, die neue Seite des Lebens zu beschriften: „Siehst du nicht, dass dein Glücksberg nicht seine Bestimmung trägt? Du krallst dich an ihn, piekst ihn ab und zu dass er wackelt und lachst und freust dich als wäre die Welt Freude!“ Die Ignoranz zuckte die Schultern, die Hässliche tat, als wolle sie mit dem Messer auf den Glücksberg los. „Dein Glücksberg soll gehen! Wenn du immer so glücklich sein willst, dann gehe hin, sei mit ihm, freue dich, uns zum Groll!“

Die Philosophin blickte ratlos. Die Mikrowelle zeigte verwirrt 86.13 Uhr, die Furien erhoben sich, stießen sich gegenseitig, als sie zur Türe hinaus gingen.



7

Sie erzählte ihrem Zuhörer von den Furien. Der sagte leise: „Wo soll das Problem sein?“ Sie sah es auch nicht. Sie war ja bereits Anteilseignerin des Glücksbergs. Was mehr sollte werden, das schwieriger wäre? Die Anwesenheit des Glücksbergs in ihrem Leben war keine Strafe. Und je mehr des Zusammenseins, je größer die Glücklichkeit. Der Freund legte seine Hand wie zum Trost - worüber? - auf ihre Schulter. Diesmal ging er, ohne einzuschlafen.



8

Am 26.8. um 56.97 Uhr konvertierte der Glücksberg. Es brodelte in seinem Inneren, von Fuß bis Krone schwankte und schwabbelte er, blähte sich, dampfte zischte ging aus sich heraus. In der Höhe wuchs ihm ein wuscheliger Kopf, Arme Beine schossen heraus; in der Mitte des Zimmers stand ein mit grünlicher Masse behafteter junger schöner Mann. Vom Glücksberg war nur die Körpermitte übrig geblieben. Der fleischgewordene Glücksberg lachte, daß er wallte, griff blickte, neue Augen, um sich, die Philosophin zu finden, zu umarmen. Glücksberg, Glücksberg: du bist frei!



9

Am 26.8. um 56.97 Küchenzeit war die Philosophin unter Menschen einer Stadt, ihr Vorurteil zu prüfen, nach Bedeutung zu befragen. Sie schaute Umhereilende an, fragte nach dem Sinn ihrer Kleidung, dem Sinn ihrer Eile, und maß: ihr Vorurteil war guter Dinge, genährt und immer bereit. Sie prüfte es weiter an Schaufensterauslagen, wurde müde vom vielen Vorverurteilen, das der Philosoph á priori nennt, und spazierte eine buntgrüne schillernde Birkenallee zu einem Stadtfluss. Rastete, blickte umher, schlief ein. Fand, träumend, daß das Vorurteil nichts bedeute.


Der Glücksberg war sehnsüchtig geworden nach der Frau aus Tausendundeinernacht. Er irrte in der Philosophin Wohnung umher, suchte, fand ihre Kleider, zog sie an. Schließlich tappte er, in bunte Tücher, kurze Röcke, Blusen gehüllt zur Wohnungstür heraus, schmatzte barfuß über einen Weg, blickte um sich, hinter sich. Nirgends sie. Weiter, Menschen hinterher, Blicke, Worte fangen, sich betasten, neue Freiheit: nicht mehr warten können müssen.



10

Um 13.62 erwacht die Philosophin am Fluss. Der Glücksberg wird von einer jungen Frau ob seiner Kleidung, seiner Fröhlichkeit angesprochen. Die Philosophin eilt sehnsuchtgedrängt heim. Ob er sie nicht begleiten wolle, die fremde Frau. Die Philosophin die Treppen hinauf. Glücksberg und fremde Frau in einem Hauseingang verschwunden.


Die Philosophin findet die Wohnung offen, zerwühlt. Im Zimmer grüne Geleespuren, klebrige Brocken verteilt. Fassungslos stürzt sie an einen Fleck. Nassen Gesichts daran riechend, mit der Zunge schmeckend, saugend. In Bauchkrämpfen am Boden sich windend.


Später fanden sich die Furien ein. Die Häßliche sprach: „Wir haben dich gewarnt, Leichtsinnige! Jetzt ist er weg. Hat dich verlassen, ist explodiert, gestohlen, im Zimmer verschmiert. Gehen hättest du sollen! Der kehrt nicht zurück.“

Die Wut riß feurig ihre Augen nach rechts, links, die Ignoranz zuckte die Schultern. Die Philosophin saß in einem Meer von Taschentüchern, heulte, schneuzte. Da war keine Fröhlichkeit mehr in ihrem Hause.



11

Der Glücksberg war glücklich gewesen als Geleemasse. Als er laufen greifen schmecken riechen konnte fröhlicher als sonst. Er hielt die fremde Frau für die Philosophin.

Er lebte bei ihr, aber nicht vollständig wurde dieses Zusammensein. Eine unfassliche Begebenheit stellte sich ein: der Glücksberg war, im Grunde seines lustig wackelnden Herzens, nicht glücklich. Er war traurig. Sein Bauch hing. 

Er schob seine Traurigkeit zunächst auf seine Körperlichkeit: Arme und Beine, die weh taten, wenn man sie zu sehr beanspruchte. Rachen, Bauch, Kopf, die nach Genuss von Tabak und Alkohol nur dröhnendes Unwohlsein waren, rollmopskonsumierenmüssend zur Wiederherstellung des Glücksbergs. Aber auch wenn er sich wohl fühlte, fehlte etwas. Immer öfter verließ er die falsche Philosophin, die ihn betrachtete wie ein Fundstück, eine Errungenschaft, zum Ausstellen gemacht, und suchte seine verlorene Glücklichkeit. Breitete sich aus. Genoss. Traf er eine andere Frau, sah er: auch das hätte die Philosophin sein können. Und eine dritte. Aber nie war sie‘s. Das Glück, wie er es kannte, ebbte ab und wurde spärlich.


Die fremde Frau sah die Umtriebigkeit des Glücksbergs. Und wie fremde Frauen denken, will sie ihn für sich, durch Isolation ihn besitzen ansichreißen fesseln. Sie wechselt den Ort: weg von hier, wo man ihn vielleicht kennt. Ein anderer Ort, ein fester Bezug: nur er und ich, denkt sie. Sie zieht ihn mit: Fremde. Zwei Furien klatschen vor Wut und Hass in die Hände, eine zuckt die Schulter. Die Welt ist in Bahn. Die Trennung perfekt. Die Philosophin wie sie sein soll: einsam, enttäuscht, isoliert, hoffnungslos.



12

Die Philosophin war einsam, enttäuscht, hoffnungslos. Sie dachte viel, fand kein Ergebnis. Von nicht mehr Trost spenden könnenden Freunden zog sie sich zurück. War sie allein, saß sie in der Küche, die Füße in zertretene Pantoffeln versteckt, in Decken gegen Leere eingehüllt, weinte, starrte auf die Mikrowelle, die in ihrer Zeitlosigkeit fortfuhr, den Tisch, auf dem der Glücksberg gewackelt hatte.


Am 23.12. um 07.84 ging ihr Zug. Weg, weit weg. Die Zeit am Fuße des Glücksbergs zu vergessen, die Zeit auf seinen Hügeln, Hainen, Wanderwegen. Einen neuen Glücksberg finden vielleicht, und wenn es ein Gugelhupf wäre.

Kalt war es. Aus dem Nebel drückte sich eine Trambahn. Man sah die nächste Station nicht. In der Bahn ein altes Ehepaar, für die Ewigkeit verheiratet. Ihre Augen Blicke Tränen versanken in schwarzer Milch der Frühe.



13

Die Sonne. Ewiger Fixpunkt, brennend wärmend, wird von der Erde umzogen, umgarnt, angelacht. Glücksberg und Philosophin, jeder für sich, wurden von Menschen umgarnt umzogen umschwärmt. Die warfen die Strahlen entstellt, unkenntlich, fade zurück. Allein in weitem Nichts, jeder an seinem Ort, standen sie, strahlten, ihre Stahlen vergingen, wurden blasser.



14

Falsche Frauen haben falsche Freunde. Falsches Leben zeitigt kein richtiges. Falsche Absicht bringt falsches Resultat. Die fremde Frau konnte für zwei nicht ewig arbeiten. Fühlte sich vorgeführt, brüskiert durch die ewig begünstigte, sorglose Art des Glücksbergs, suchte Streit, fühlte sich beengt. Sie trieb ihn aus dem Haus: such dir Arbeit! Doch der Glücksberg musste nicht gedrängt werden. Längst hatte er sich eine Tätigkeit verschafft, die floss wie alles aus ihm. Leicht, beschwingend malte er, spielte Gitarre. Viele wollten seiner anteilig sein, bezahlten dafür. Er stand bald auf Bühnen, sang; malte für Galerien, Hinterhöfe. Da fühlte er sich mit einem Mal besser: er sang-malte die Philosophin, hatte sie in seiner Suche bei sich, träumte von ihr, sang.


Viele Frauen suchten Glück bei ihm. Und da er ein Berg war und kein Hügel und sein Glück einst für die Philosophin gereicht hatte, da reichte es hier im Übermaß.


Die arme Philosophin: da hatte er aufgehört, sie zu suchen. Nur eine Furie zuckte die Schultern.



15

Man hat was, nennen wir‘s Ideal, und wenn es nur ein lustiger Wackelpudding ist, und man achtet einen Moment nicht darauf: weg ist es. Das Ideal zu finden: Glück muß man da haben, Bestimmung fühlen können. Und Mut muß man haben. Nur Mut! Aber das ist uns selten.


Die Philosophin hatte nun auch keinen Grund, zu suchen. Sie wußte, dass der Glücksberg explodiert war. Vielleicht war er ja ein schlafender Glücksvulkan gewesen. Da sie nichts suchte nahm sie in der fremden Stadt eine Festanstellung an. Ihre Uhr zeigte inzwischen 12.17 und 14.12 und danach artig 12.18 und 14.13. Viele konnten ihr keinen Trost spenden, wärmten wenigstens das Bett.

Eine einzige Freundin hatte sie gefunden. Die litt unter der beständigen Trauer der Philosophin, schleifte sie von Bar zu Tanz zu Spiel. Nichts wirkte. Einmal hatte die Freundin Hoffnung: drei Tage war die Philosophin mit einem Musiker unterwegs, länger als mit jedem sonst. Hocherfreut traf sie sie wieder: es stellte sich heraus, dass er nur mittelmäßig Schlagzeug spielte.


Und dann geschah es plötzlich, unerwartet, daß die Philosophin aufblühte, unruhig wurde, Ausschau hielt. Hoffnung trat in ihre Augen. Bei der täglichen Arbeit formten ihre Hände fröhliche Sehnsucht!



16

Da hatte ein Bild gehangen. In einer armseligen antiquarischen Bilderhandlung. Neu, aufrührend zwischen alten Schinken, Raubkopien, Nachdrucken. Wer hat das gemalt? Ein Typ mit Wuschelhaaren. Name? Keine Ahnung. Hat fünfzig Euro dafür gekriegt. Die Philosophin zahlt achtzig, sucht den Maler. Ihr Sinn weitet sich. Richtet sich. Der ist nicht weit! Suche, du wirst finden!



17

Der Glücksberg suchte nicht mehr. Er lag tagaus tagein, fühlte sich nur mäßig ans Leben gemahnt. Die Philosophin, derer er jetzt öfter nostalgisch nachhing, hatte es für ihn nur als Wackelpudding gegeben. Da hatte sie grün ausgesehen, verschwommen. In dieser Welt von Farben gab es sie nicht.


Seit Tagen kam eine Frau zu ihm, die blieb, war ruhig, fiel nicht auf. Da er keine Philosophin suchte, tat es auch jede andere, auch wenn man sie nachts auf dem Hochplateau eines Abrisshauses mit Sekt empfängt. Dort findet, als würden beide suchen. Die Frau schüchtern, verschlossen, peinlich berührt. Sieht ihn an wie durch einen Schleier. Er traute sich nicht in ihren Blick. Der tat weh.

Für Stunden an jedem Tag war sie verschwunden. Da war er noch leerer. Kam sie zurück, sah sie ihn fremd zweifelnd an. Fragte sich: wer ist das? Nie vorher hatte jemand des Glücksbergs Glücklichkeit angezweifelt. Die in Wahrheit schon lange aufgesetzt war. Er wurde ängstlich. Neugierig. Traute sich nicht. Wollte mit ihr ins Bett. Da ging sie, blieb stundenlang weg. Kam wieder, ihm tat die Sehnsucht weh.



18

Noch einmal kamen die drei Furien zur Philosophin. Ihre Uhr war seltsam defekt seit dem Bildfund. Also kann man nur sagen, daß es am 24.4. um 76.12 war. Diesmal sprach die Ignoranz: „Es ist nicht wichtig, ob oder ob nicht. Bedeutung: das bist du. Haß und Wut und Ignoranz sind gleichgültig.“ Die beiden andern blickten verärgert. Die Stimme der Ignoranz hob an, zitterte, sie hob ihre Arme zur Decke wie verdorrte Zweige: „Sieh auf das Bild!“, bebte sie. „Drücke den Bauch!“



19

Der Glücksberg hatte Essen gekocht seine Sehnsucht zu nähren. Die kam mit großem Gepäck unterm Arm. Sie aßen. Sie sagte: zieh dich aus. Sie sagte: leg dich hin. Der Glücksberg erfreut, verstört. Tat es. Sachte näherte sich der Sehnsucht Daumen seinem Bauch. Drückte hinein. Der wackelte. Die Philosophin lachte weinte. Der Glücksberg fassungslos öffnete Mund, Augen, lachte, lachte laut und schallend, unbändig lachte er dass er wackelte von oben nach unten nach oben: wie sie ihn kannte ihn kannte ihn kannte! Der Glücksberg! Die Philosophin!



20

Später sagte die Philosophin zu einem Freund: natürlich gibt es eine Bedeutung des Mythos, und drückte mit ihrem Daumen den Bauch.


Dienstag, 30. Juni 2020

Nordsee - Kurzgeschichte

Dieser Text ist zugleich über einen langen und einen kurzen Zeitraum hinweg entstanden. Er hat viele Überarbeitungen erlebt, und dann auch noch einen kleinen Preis vom Literaturhaus Hamburg erhalten!

Was geht mich an?/an

Diese Oberflächlichkeit, Westdummheit habe ich bei Biermann gelesen, zumindest denke ich das und lege ihm hoffentlich keine falschen Worte i...